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Wenn der Chef so richtig fies wird: Größe zeigen trotz Zweifel

"Sie haben davon doch keine Ahnung!" - Da war sie, die imaginäre Backpfeife mit dem Stuhl, die mich wundern ließ, ob ich meine Ohren mal checken lassen sollte. Selbst der grummelnde Bauch, der sehnsüchtig auf ein Abendessen wartete, hielt vor Schreck die Luft an. Der Hunger wurde ersetzt durch Wut: Man reißt sich den Arsch auf und tut als ob man acht Arme hätte und das ist der Dank dafür. Doch das schlimmste Gefühl lässt nicht lange auf sich warten und es kommen die Zweifel: "Bin ich vielleicht wirklich so schlecht in meinem Job?"

Mitarbeiterführung - ist das wichtig oder kann das weg?

Sie leiten Unternehmen, haben großartige Dienstleistungs- und Produktideen, verhandeln mit den ganz Großen und arbeiten ehrgeizig an ihren Zielen. Mitarbeiterführung passiert ganz nebenbei. Wie essentiell wichtig die Mitarbeiterführung für Unternehmen ist und zum Erfolg beiträgt, wird von manchen Unternehmern so unter den Tisch fallen gelassen, dass man runterzählen kann, bis das Unternehmen gegen die Wand fährt.

Als mich eine neue Arbeitskollegin vor Kurzem kontaktierte und mir gestand, dass sie im Büroflur stand und ihre Tränen nicht unterdrücken konnte, weil ihr alles Zuviel wurde, ist mir fast der Kragen geplatzt. Nicht nur, weil ich sie als meinen Schützling sehe, sondern auch, weil kein Mensch es verdient hat so behandelt zu werden. Ich muss aber auch zugeben, dass ich mich selbst in eine Zeit versetzt fühlte, in der es mir genauso ergangen ist. 

Meine Kollegin arbeitet teilweise bis spät in die Nacht und ist motiviert und ehrgeizig. Aber vor allem ihre Herzlichkeit hat es mir angetan. Ausgerechnet sie wird dann von ihrem Chef angemeckert, warum sie sich um einen Sachverhalt - wovon sie in dem Gespräch das erste Mal gehört hat - nicht gekümmert hat. Der Vorgesetzte hat sich selber so verzettelt, dass er vergessen hat, die Arbeitsanweisung weiterzugeben. Passiert, selbst den Besten. Aber selbst wenn es berechtigt wäre, kann man eine derartige Kritik doch sachlich rüberbringen und deutlich machen, dass so etwas nicht wieder passieren darf. 

Auf der einen Seite wird man dann als Mitarbeiter demotiviert, die Leistung schwächelt oder man kündigt sogar. Aber im schlimmsten Fall glaubt man dem Chef. Man beginnt zu zweifeln, ob man wirklich ein schlechter Mitarbeiter ist. 

Indirekte Kritik, die direkt trifft

Auch ich bin ein Mensch, der sich Aussagen von anderen sehr zu Herzen nimmt. Wenn jemand laut wird fühle ich mich besonders angegriffen. Ich vertrete die Meinung, dass wir alles erwachsene Menschen sind und daher konstruktiv und respektvoll miteinander umgehen können. Ausrasten zählt für mich nicht dazu. 

Über die Jahre habe ich aber gelernt, dass jeder mit Stress und Problemen anders umgeht. Das Laut werden ist eine Art davon. Ich hatte mal einen Vorgesetzten, der mich vor allem indirekt fertig gemacht hat: Nachdem ich bereits einige Überstunden hinter mir hatte, "drohte" er mir, meine Kollegin, die im Urlaub war, anzurufen, wenn ich eine Präsentation nicht fertig mache. Meine Kollegin, mit der ich ein sehr gutes Verhältnis hatte, wollte ich natürlich nicht belasten. Genau das wollte mein Chef ausnutzen. Aber auch Sätze wie "Sie haben davon keine Ahnung" oder "Wie oft muss ich das noch sagen, bevor sie das kapieren?" waren eine so große Belastung, sodass ich nur noch mit Bauschmerzen zur Arbeit gehen konnte. 

Im Nachhinein bin ich dankbar für diese harte Erfahrung, da sie mich stärker gemacht hat. Aber ohne meinen Partner und meine Familie hätte ich es nicht geschafft. Die schlimmste Phase war, als ich wochenlang Zuhause lag, mich Kleinigkeiten wie Einkaufen oder Duschen überfordert haben und ich in jedem Gespräch ohne Grund angefangen habe zu weinen. Es war ein langer Prozess, in dem mir erst klar werden musste, dass ich ordentlich was auf den Kasten habe und kein Versager bin.

Machtlos ohne die richtige Reaktion 

Doch wie wehrt man sich gegen eine unsachliche Kritik oder einen indirekten Angriff? Aufstehen, die Tastatur als Wurfgeschoss nehmen und lauthals brüllen wäre eine Möglichkeit. Aber eine fristlose Kündigung hilft uns nicht weiter. Auch gegen die Beschuldigung anzugehen, sich zu rechtfertigen oder sie abzustreiten während der Chef sich gerade in Rage redet, macht wenig Sinn und spornt nur dazu an weiterzumachen. 

Also doch auf Durchzug stellen und den Chef sich erst einmal auspowern lassen. Das hilft nicht bei jedem, aber gegen einen Choleriker kommt man in dem Moment nicht anders ran. Wenn nach wenigen Minuten die Stimmung etwas ruhiger wird, solltest Du Deinen Satz mit Verständnis beginnen: "Ich kann ihren Standpunkt nachvollziehen" oder "Ich verstehe, dass sie aufgebracht sind" und dann kommt der Moment, der entscheidend ist: Knickst Du ein oder beweist Du Größe: "ABER wir sollten das Gespräch in einem vernünftigen Ton fortführen. Wenn das nicht möglich ist, sollten wir das Gespräch hier und jetzt unterbrechen." Du überlässt Deinem Vorgesetzten die Wahl und dennoch hast Du für Dich eingestanden. 

Äußere Deinen Standpunkt, wenn ein weiteres Gespräch möglich ist. Möglichst sachlich und nicht in der Rolle eines Opfers. Denn Du bist kein Opfer, sondern in dem Fall der Vorgesetzte der mit einer Stresssituation nicht anders als ein Kind umgehen kann. Mit dem Hinweis, dass solche Fehler nicht wieder passieren werden, sollte der Fall abgeschlossen sein. Denn Du hast deutlich gemacht, dass Du den Fehler verstanden hast, aber auch, dass Du ein Mensch bist, der respektvoll behandelt werden will.

Kategorie Nilpferd-Sesselpupser lässt grüßen

Jetzt gibt es aber leider auch die sogenannten Nilpferd-Sesselpupser: Kurz auftauchen - rumpupsen - abtauchen. Es kann also sein, dass der Chef das Büro verlässt oder am Telefon einfach auflegt, ohne dass man die Chance hatte sich zu äußern. Da wird die Möglichkeit erwachsen zu reagieren, einfach gestrichen. Da hängt man nun, wie ein Koboldmakis (ja, googelt das Tier; es lohnt sich) und fragt sich nur „WTF?“. Durchatmen und die Zeit nutzen, um die perfekte Reaktion zu planen. Was Besseres kann Dir also nicht passieren. Sobald es etwas ruhiger ist und die Zeit da ist, spreche Deinen Vorgesetzten nochmal auf den Vorfall an. Bereite das Gespräch wie folgt vor:

Eigene Wahrnehmung prüfen
Übertreibe ich oder hat mein Chef wirklich übertrieben? 
Können meine Arbeitskollegen meine Reaktion nachvollziehen?
Hatte ich die gleichen Probleme in früheren Jobs? 

Sachverhalt analysieren und Problem definieren
Habe ich wirklich einen Fehler gemacht? 
Wo liegt das Problem? 
Wo liegt das Missverständnis, wenn ich keinen Fehler gemacht habe? 
Hat mein Chef einen Fehler gemacht?

Ursache festlegen
Warum ist dieser Fehler passiert? 
Wie kam es zu diesem Problem?
War ich unkonzentriert?
Hatte ich zu wenige Informationen?
Wo war der Fehler meines Chefs?

Lösungsansätze festlegen
Welche Losungsansätze helfen weiter? 
Was kann ich beitragen? 
Was kann mein Chef beitragen?

Blick nach vorn
Wie kann ich zukünftig solche Fehler vermeiden? 
Was sollte beim nächsten Mal anders laufen? 
Was erwarte ich von mir selber? 
Was erwarte ich von meinem Chef? 
Wie wünsche ich mir Kritik?
Wie kann ich effizient arbeiten?

Das klärende Gespräch nach einer unangenehmen Situation ist so wichtig. Denn ein Anpflaumen - ob direkt oder indirekt - soll sich nicht wiederholen. Kritik ist wichtig, aber soll sachlich und konstruktiv rübergebracht werden.
Gehe positiv in das Gespräch und zeige Verständnis. Aber lass Dich, komme was wolle, nicht unterkriegen und einen persönlichen Angriff durchgehen. Ich würde nicht sagen, dass Schreihälse Schwächen ausnutzen. Aber sie brauchen Gegenwehr. Wenn jemand klein nachgibt, können sie damit nichts anfangen. Wenn aber jemand geradesteht, sich groß macht und (sachlich) kontert, ist es ein ebenbürtiger Gesprächspartner. Man könnte meinen, im Büro geht rund wie im Dschungel...

Sollte es nichtsdestotrotz Zuviel werden, besteht immer noch die Möglichkeit den Raum zu verlassen. Am besten mit dem Satz „Auf dieser Ebene kann und will ich nicht kommunizieren. Sobald sich die Gemüter beruhigt haben, können wir gern weitersprechen.“  Meines Erachtens ist das kein Zeichen von Schwäche, sondern ganz im Gegenteil! Es gehört Mut dazu für sich selber und sein Wohlbefinden einzustehen.

Beeindruckt durch Respekt und nicht durch Macht!

Für mich ist es einfach unbegreiflich, warum Menschen nicht respektvoll miteinander umgehen können. Wenn man doch bedenkt, was man alles schaffen könnte, wenn man als Team zusammenarbeitet. Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Warum nicht die Stärken zusammentun und Großartiges bewirken?

Hast Du schon mal eine derartige Erfahrung gemacht und wenn ja, wie hast Du reagiert? Wie hast Du Größe gezeigt oder suchst Du noch den richtigen Weg? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!

Stand up for yourself. Don´t let people mistake your kindness for weakness or your calmness for acceptance

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